Kavalier der Straße
Audio | 24.10.2025 | Dauer: 00:03:57 | SR kultur - (c) SR
Themen
In meiner Kindheit und Jugend sah man sie noch an manchem Kühlergrill.
Plaketten mit einem geschwungenen K auf blauem oder goldenem Grund.
Darüber stand „Kavalier der Straße“. Heute versteht vielleicht nicht mehr jeder das Wort „Kavalier“.
Das Wort Kavalier hängt zusammen mit dem Chevallier, dem Reiter, besser Ritter. Da geht es, und jetzt kommt das nächste altmodische Wort, um Tugenden. Heute würden wir das vielleicht mit Anstand und Fairness beschreiben.
Und genau darum ging es, als deutsche Tageszeitungen die Kavaliere der Straße sichtbar machen wollten vor fast 70 Jahren.
Wer sich zuvorkommend und hilfsbereit im Straßenverkehr verhielt, konnte mit etwas Glück als Kavalier der Straße geehrt werden und diese Ehre als Emblem sichtbar am Kühlergrill mit sich führen.
Zuvorkommend, hilfsbereit, fair, mit einem Wort, eine Kavalierin oder ein Kavalier sein. Das scheint mir alles etwas unter den Rasenmäher des Zeitgeistes geraten zu sein. Und der ist überzeugt, dass jeder sich selbst der Nächste sein muss und rattert rücksichtslos: Was hab‘ ich denn davon? Ist doch dein Problem, wenn du nicht vernünftig einparken kannst. Der Bus kann warten, ich komme da noch durch!
Da möchte man mit Pur singen: Wo sind all die Kavaliere hin? Verschütt gegangen genau wie die Indianer, die da ursprünglich besungen wurden.
Manchen Zeitgenossen möchte man gar statt der K-Plakette, die den Kavalier erkennbar macht, ein mit R oder G verleihen.
Raubritter eben oder Glücksritter.
Wenn in unserem Ortsteil, dessen enge Hauptstraße aus gutem Grund eine Tempo 30 Zone ist, durchgebrettert wird, der stolze SUV-Besitzer vor der Kneipe auf dem Bürgersteig im absoluten Halteverbot parkt, zehn Meter weiter ein Elektroroller den Gehweg blockiert, kommt mir die Galle hoch.
Aber wo ich mich noch durchschlängeln kann, wird das Trottoir für Rollatorführer und Menschen, die auf einen Blindenstock angewiesen sind, zum Stolperarkour.
Liebe Raub- wie Glücksritter, erst denken, dann lenken!
Ja, an andere denken, altmodisch gesagt, ein bisschen Kavalier sein und dem Bus durch die zugeparkte enge Gasse die Vorfahrt lassen, auch wenn der Hintermann mir fast die Stoßstange touchiert vor Ungeduld. Als Kavalierin oder Kavalier wird man nicht selten sogar belohnt.
So erlebte ich es neulich als Radfahrer am Garelli-Haus in Saarbrücken, einer überaus belebten Kreuzung.
Der Fahrschulbus der Verkehrsbetriebe mit einem Fahrschüler, der noch erkennbar unsicher war, quälte sich um die rechtwinklige Kurve.
Die Situation erkennend stoppte ich meinen Drahtesel ein ganzes Stück vor der Ampel, so dass der Omnibus genug Platz zum Manövrieren hatte.
Ein fröhliches Winken und der erhobene Daumen des Fahrlehrers waren der Dank an mich, den Kavalier der Straße.
Wir leben in einer hektischen Zeit und viele Menschen glauben mit Rücksichtslosigkeit besser durchs Leben zu kommen. Ich freue mich über alle, die da nicht mitmachen wollen. Ruppigkeit gab es schon zu allen Zeiten. Das wusste auch der Apostel Paulus. Und deshalb schlug er seinen Freunden in Rom ein paar Kavalierstugenden vor:
Überbietet einander in der gegenseitigen Wertschätzung. Seid auf Gutes bedacht und wenn irgend möglich, soviel an euch liegt, habt mit den Menschen Frieden. Wäre doch einen Versuch wert, oder?
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